Mittwoch, 15. Dezember 2010

New World Symphony

somerset LP 539
Für den eingefleischten Hörspiel-Kenner ist es keine Neuigkeit mehr, dass Antonín Dvořáks Symphonie Nr. 9 (5), e-moll, op. 95 "Aus der Neuen Welt" zur Untermalung von vier Karl May-Hörspielen gedient hat. Kaum jemand weiß allerdings, um welche Aufnahme es sich hier handelt und wo diese veröffentlicht wurde. Doch dieses Geheimnis sei hiermit enthüllt.



Zur Veröffentlichung:
Es handelt sich um eine Originalaufnahme für die Miller International Company, die ca. 1961 zeitgleich auf den Labels Somerset (P-13100 in Mono) und Stereo-Fidelity (SF-13100) erstveröffentlicht wurde.



In Deutschland wurde sie zeitnah auf dem deutschen Label somerset (CL-539) als Teil der Klassikreihe (CL) sowohl in mono als auch in stereo herausgebracht. Alle diese Veröffentlichungen benutzten das in der Abbildung dargestellte Motiv für die Hüllenvorderseite. Verantwortlich hierfür war der Chefdesigner der Company Will Dressler. Es zeigt die Brooklyn Bridge in New York City mit Blick über den Hudson River bei Nacht.




Eingespielt wurde die Symphonie vom London Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Hugo Rignold, höchstwahrscheinlich auch 1961. Rignold war ein englischer Dirigint und Violinist, und zum Zeitpunkt der Aufnahme ca. 55 Jahre alt.

An der Produktion beteiligt waren laut Cover-Rückseite der deutschen Veröffentlichung Dr. E. Beurmann (Aufnahmeleitung) und Dr. W. Wille (Toningenieur). Das sind natürlich Andreas (Erich) Beurmann und Wilhelm Wille, neben Dave Miller die Mitbegründer der deutschen Miller International Schallplatten GmbH. Dave Miller selbst wird nicht namentlich erwähnt.

Weitere Veröffentlichungen sind nicht bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass der derzeitige Rechteinhaber Sony Music sich dazu entschließt, dieses in Zukunft nachzuholen.

Zum Werk:

Dvořáks letzte geschaffene Symphonie wurde lange Zeit als seine "fünfte" aufgeführt, da der Komponist zu Lebzeiten nur fünf Symphonien veröffentlicht hatte. In seinem Nachlass fanden sich später jedoch vier weitere Symphonien. Die moderne Musikwissenschaft hat deswegen die Werke chronologisch neu durchnummeriert. Somit wurde aus der fünften die neunte Symphonie. Das erklärt die obige, häufig anzutreffende Schreibweise "Nr. 9 (5)". Die Beschriftung der deutschen somerset-LP spricht hingegen nur von der fünften Symphonie.


Mit der "Neuen Welt" ist übrigens der amerikanische Kontinent gemeint, der im Gegensatz zur "Alten Welt" (Europa) steht.


Dvořák - ein gebürtiger Tscheche - hat diese Symphonie in New York unter dem Einfluss seines mehrjährigen USA-Aufenthalts geschrieben. Es war ihm wichtig, die in Amerika entwickelten musikalische Formen mit der europäischen klassischen Musik zu verschmelzen. Besonders lag ihm am Herzen, die Musik der einheimischen Indianer und der verschleppten afrikanischen Sklavenbevölkerung zu integrieren, gepaart mit der Vertonung der für die USA so typischen weitläufigen Landschaften. Doch auch tschechische Einflüsse blitzen hier und dort auf, allen voran das melancholische Heimweh eines Böhmen, der damals fern der Heimat lebte.


Die Neue Welt-Symphonie war von Beginn an ein ausgesprochen großer Publikumserfolg, besonders in den USA. Das mag vor allem daran liegen, dass sie durch ihre schönen Melodien sehr eingängig ist. Vor allem das Largo (2. Satz) ist bei ablehnenden Kritikern häufig als "Kitsch" verrissen worden. Ich persönlich finde, dass dort im Mittelteil das schönste - aber auch traurigste! - Thema der Romantik geschaffen worden ist. Auf der Hüllenrückseite einer anderen Aufnahme aus den 1960ern habe ich die Information gelesen, dass die Neue Welt-Symphonie, neben Beethovens Schicksals-Symphonie, die seinerzeit weltweit am häufigsten aufgeführte Symphonie wäre.


Soundtrack-Einsatz
Wie eingangs erwähnt wurde die Musik ausschließlich bei Karl May-Hörspielen verwendet:
  • Winnetou I, 1. Folge
  • Winnetou I, 2. Folge
  • Winnetou III, 2. Folge
  • Der Schatz im Silbersee, 2. Folge
Dabei wurden Stellen aus dem 1. Satz (Adagio - allegro molto) und dem 2. Satz (Largo) gewählt. Dvořák selbst hat dem 2. Satz den Beinamen Legende gegeben.


In den Winnetou-Hörspielen wurde ausschließlich die Einleitung zum 1. Satz verwendet, das in Hörspiel-Freundeskreisen auch manchmal "Ntscho-Tschi-Thema" genannt wird. Eine ausgesprochen gute Wahl, wenn man bedenkt, dass Dvořák hierfür ein indianisches Thema verwendet hat, das er auf seinen Reisen aufgenommen hatte. Bemerkenswert ist das für den Hörspieleinsatz ein charakteristischer Fanfarenstoß ausgelassen wurde. Es wurde quasi ein editierter Auszug benutzt, der - je nach Länge der zu untermalenden Szene - manchmal geloopt wurde.


Für das Silbersee-Hörspiel benutzte man andere Stellen. Für die Szene in der Winnetou seine Freunde über Schleichwege ins Tal des Silbersees führt wählte man zwei Passagen und kombinierte diese. Zuerst ist der Schlussteil des 2. Satzes zu hören. Mit Hans Paetschs Worten "Hinter diesen Bastionen stiegen neue, und immer neue Bergriesen auf" folgt der Schlussteils des 1. Satzes.


Alternative Einspielungen
Im Jahr 1977 wurde unter der Leitung von Vernon Handley wiederum mit dem London Philharmonic Orchestra eine weitere Aufnahme der Symphonie auf dem EUROPA Klassik-Label mit dem Namen "Aus der Neuen Welt" (LP 114 043.4) veröffentlicht. Ich habe diese Aufnahme geprüft und festgestellt, dass es sich tatsächlich um eine andere Einspielung handelt. Die hier enthaltene Musik konnte noch nicht als Hörspiel-Soundtrack identifiziert werden. Für reine Hörspielmusik-Sammler dürfte sie daher eher uninteressant sein.

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