Samstag, 18. Dezember 2010

Rübezahl feat. Peer Gynt

somerset LP 540
Wer das Rübezahl-Hörspiel von EUROPA kennt, hat auch die klassischen Peer Gynt-Suiten, zumindest auszugsweise, schon einmal gehört - vielleicht ohne selbst davon zu wissen...

Doch gut informierte Hörspiel-Freundeskreise wissen längst darüber Bescheid, dass Griegs romantische Bühnenmusik hier zum Einsatz kam.

Mittlerweile konnte auch ermittelt werden, welche konkrete Aufnahme im Hörspiel verwendet wurde, und wer dahintersteckt.


Zur Veröffentlichung
Auch dieses Mal handelt es sich um eine Originalaufnahme für die amerikanische Miller International Company. Sie wurde 1959 zeitgleich auf den Labels Somerset (P-9400 in mono) und Stereo-Fidelity (SF-9400) veröffentlicht. 1961 gehörte sie zu den initialen 40 LPs, die den Grundstock für das erste Label somerset der frisch gegründeten Miller International Schallplatten GmbH bildeten. Sie bekam die Bestellnummer CL-540 und wurde auch hier als Mono- und Stereovariante vermarktet.

Bei vielen deutschen somerset-LPs der ersten Stunde wurde das amerikanische Cover-Motiv übernommen und für den deutschen Markt angepasst. Dafür wurden in der Regel Balken über Titel- oder Interpretenangaben montiert, auf denen dann die deutsche Übersetzung prangte. Bei dieser LP-Hülle ist jene Technik angewandt worden (siehe Abb.).

Für die Aufnahme beider Suiten wurde das Orchester der Hamburgischen Staatsoper unter Wilhelm Brückner-Rüggeberg verpflichtet. Weitere Beteiligte werden auf der deutschen Ausgabe nicht genannt. Vermutlich wurde sie 1959 im Raum Hamburg aufgezeichnet.

Wiederveröffentlichungen
Zur Zeit sind keine weiteren Veröffentlichungen bekannt, die diese Aufnahme vollständig enthalten. Jedoch auszugsweise wurden sie zur Gründung des EUROPA-Labels 1965 den Zusammenstellungen EUROPA-Wunschkonzert (E 132) - Solveigs Lied (kein Soundtrack!) - und EUROPA-Sonntagskonzert (E 133) - Morgenstimmung - hinzugefügt. Hier verzichtete man aber auf eine korrekte Nennung von Orchester und Dirigenten.

Der Eröffnungssatz von Suite Nr. 1 - Morgenstimmung - wurde auch in gekürzter Form auf der EUROPA-LP Geräusche in Stereo Nr. 2 (E 1009) in die Rubrik Musik zum Unterlegen mitaufgenommen - erneut ohne Interpreten-Info.

Interessant ist ebenfalls, dass der komplette Satz In der Halle des Bergkönigs und ein Auszug aus Stürmische Nacht auf der allerersten Veröffentlichung des EUROPA-Hörspielkatalogs enthalten ist. An sich ist die LP Wundersame Welt der Musik (E 201) gar kein Hörspiel, sondern vielmehr eine Unterrichtsstunde in der die Instrumente des Symphonie-Orchesters vorgestellt werden, gefolgt von bekannten Hörbeispielen aus der Klassik. Auch hier vermied man die »Credits« für Interpreten.

Zum Werk
Edvard Grieg war ein norwegischer Komponist aus der 2. Häfte des 19. Jahrhunderts. Seine Kompositionen werden der Romantischen Klassik zugeordnet und sind u.a. gekennzeichnet von seinem Bestreben, typisch norwegische Melodien und Harmonik ins Geschehen zu integrieren. Damit war er eine ideale Besetzung für die Aufgabe, eine Bühnenmusik (Opus 23) für Henrik Ibsens Theaterstück Peer Gynt zu schreiben, welches 1876 uraufgeführt wurde. Komplette Aufführungen haben eine Spieldauer von über 3 Stunden und sind heutzutage relativ selten. Der musikalische Anteil darin beträgt über 90 Minuten. Einige der später in den Suiten enthaltenen Stücke sind hier mit Sprach- und Gesangstext versehen - auf norwegisch versteht sich.

Erst 1888 stellte Grieg seine erste Peer Gynt-Suite (Opus 46) zusammen. Darin enthalten sind die vier Sätze Morgenstimmung, Ases Tod, Anitras Tanz und In der Halle des Bergkönigs. Drei Jahre später folgte Suite Nr. 2 (Opus 55) mit Der Brautraub (Ingrids Klage), Arabischer Tanz, Solveigs Wiegenlied, Stürmische Nacht und Peer Gynts Heimkehr und Solveigs Lied. Das Wiegenlied fehlt - wie auch bei sehr vielen alternativen Einspielungen - auf dieser LP. Die Anordnung der Sätzen in den Suiten entspricht nicht der Reihenfolge der Bühnenmusik.
Neben den symphonischen Fassungen hat Grieg die Suiten auch für 2- und 4-händiges Klavier arrangiert.

Die Musik aus den Suiten - allen voran Morgenstimmung und Bergkönig - besitzen nicht zuletzt durch ihre Präsenz in der Werbung einen hohen Grad an Bekanntheit und Beliebtheit in Deutschland.

Soundtrack-Einsatz
Auch wenn das Rübezahl-Märchen keinerlei Gemeinsamkeiten mit der Geschichte von Peer Gynt hat, die romantische Natur der Suiten prädestiniert diese zur Untermalung des vierteiligen Märchenhörspiels Rübezahl (E 237). Sechs der acht Sätze wurden hierfür insgesamt 21 mal benutzt, darunter alle Sätze der ersten Suite.

Allein das Bergkönig-Thema hat 11 Einsätze und wird damit quasi zum "Berggeist-Thema". Es ist auch die Anfangsmusik des 1. und 3. Teils und das Thema am Ende von Teil 2.

Am zweithäufigsten (4 mal) wurde der Arabische Tanz verwendet - darunter die Einleitungen zu Teil 2 und 4. Der Schluss von Anitras Tanz ist dreifach zu hören, u. a. am Ende des 1. und 3. Teils.

Die verbleibenden Themen sind jeweils einmal zu hören. Stürmische Nacht und Peer Gynts Heimkehr ist die Zwischenmusik, als die Zofen dem König das Verschwinden der Prinzessin berichten (Teil 1). In der Szene, als Rübezahl die weinende Braut des Schneiders beobachtet (Teil 2), kann man Ases Tod hören. Den Schluss des gesamten Hörspiels bildet Morgenstimmung.

Ungenutzt blieben Der Brautraub und Solveigs Lied.

Auch wenn die Peer Gynt-Suiten den Löwenanteil der verwendeten Klassischen Musik ausmachen, so waren sie es nicht ausschließlich. So entstammt die Musik bei der dramatischen Flucht der Prinzessin (Teil 1) Tschaikowskys fünfter Symphonie. Die Szene im Prunksaal (Teil 4) ist unterlegt mit Händels Concerto grosso, op. 6, Nr. 10. Auf dem Karlsbader Ball (Teil 4) wird der Walzer Du und Du von Johann Strauß (Sohn) gespielt.

Alternative Einspielungen
Neben Brückner-Rüggebergs Fassung gab es auch noch spätere Aufnahmen der Gynt-Suiten im Sortiment des Hauses Miller.

Eine davon - eingespielt durch das Orchester der Slowakischen Philharmonie unter Libor Pešek - wurde 2002 auch in die Liste der inoffiziellen Soundtracks aufgenommen: Ein Feature auf der interaktiven DVD Die drei ??? und das Museum wurde mit dem Bergkönig-Thema untermalt. Die kompletten zwei Suiten dieser Aufnahme wurden 1994 im Rahmen der Klassikserie in der Edvard Grieg-Ausgabe auf CD veröffentlicht (BMG 74321 22975 2). Zehn Jahre später wurden ausgewählte Teile der Serie - inkl. der Grieg-CD - für das Weihnachtsgeschäft mit neuem Artwork in einer Box namens Die Klassikedition als Sonderangebot verkauft. Weitere Teilveröffentlichungen dieser Aufnahme - allerdings ohne Soundtrackanteil - sind: Wunderbare Welt der Klassik (ARIOLA 5-CD 74321 70323 2 von 1999) und easy christmas (Sony-BMG CD 88697 12828 2 von 2007). Das Aufnahmejahr und die Identität der Erstveröffentlichung bleiben aber vorerst weiter unklar.

Es existiert auch noch eine dritte Aufnahme vom Orchester der Wiener Volksoper unter Hans Swarowsky, die auf EUROPA Klassik unter dem Titel Peer Gynt Suite (LP 1253, MC 6525, LP 114 044.2, MC 514 044.7) erschien. Teile daraus wurden zudem auf den EUROPA Klassik-Alben Sonntagskonzert (LP 114 057.4, MC 514 057.9) und Sonntagskonzert 2 (LP 114 061.2) entdeckt. Für diese Aufnahmen konnte allerdings bislang kein Soundtrack-Status festgestellt werden.

Zusätzlich zu den Klassik-Einspielungen gab es auch noch Adaptionen, die ich der Vollständigkeit halber - und eines gewissen Kuriositätenwerts wegen - auflisten möchte. Übrigens alles Nicht-Soundtracks.
  • Das Disco-Stück Mountain King von Doc Powerhouse. Blaupause für Betty Georges Arrangement war das Bergkönig-Thema. Auf: Superman and other Disco Hits (EUROPA LP 111 551.0 von 1978).
  • Noch mal der Bergkönig, diesmal in der Àgogo-Variante von somersets und EUROPAs Party-Aushängeschild Frank Valdor mit seinem Orchester und dem Rolf-Berry-Chor. Auf: Classics For Dancing (EUROPA LP E 193, ca. 1968).
  • Solveigs Lied vorgetragen von Sopranistin Melitta Muszely mit Prof. Günther Weissenborn am Klavier. Auf: Ein Liederabend mit Melitta Muszely (EUROPA LP E 325, ca. 1969).
  • Ein letztes Mal der Bergkönig. Diesmal von den "101 Strings plus Pipe Organ" wie es auf der CD steht. Und tatsächlich spielt dort eine Pfeiffenorgel mit. Ich hab aber den Eindruck, dass die Aufnahme entstanden ist, nachdem die Zusammenarbeit zwischen Al Sherman, dem Chef von Alshire International, und Dave Miller ein Ende gefunden hatte. Auf: Symphonic Fireworks (Alshire CD ALCD17, ca. 1987).

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